Was ich noch zu sagen hätte, sag ich bei einem Tusker und einer letzten Zigarette

Nach 4 ½ Stunden steilem Abstieg, der eher an Skifahren erinnerte als an hiken…sind wir das alles wirklich hoch gelaufen?...sind wir endlich wieder in Kibo. Wie sollen wir bloß den Rückweg nach Horombo heute noch schaffen? Naja, sind ja nur noch 12 km… Nach einem leichten Mittagessen – Pommes und Ananas und einem kleinen Nickerchen haben wir dann aber doch wieder genug Kräfte gesammelt, um den Rückweg zu schaffen und um dann…genau…in den Schlafsack zu fallen.

Der einzige Grund heute am 6. Tag aufzustehen und meine Wanderstiefel anzuziehen, war das kalte Tusker, welches mich zurück im Springlands Hotel in Moshi erwartete. Letztendlich mussten wir dann doch nochmal gute 6 Stunden für 20 km laufen und ich frage mich immer noch, was besser war, der Auf- oder der Abstieg… meinen Füßen nach zu urteilen, war es der Aufstieg. Der Abstieg ist ihnen nicht gut bekommen, mehrere Zehnägel sind blitzeblau und ich schätze dass der linke große Zehnagel sich in wenigen Tagen verabschieden wird…Naja, so lange es nur das ist…Ich glaube dennoch, dass ich mich noch nie körperlich so ausgelaugt  gefühlt habe. Das Tusker auf nüchternen Magen und eine Belohnungszigarette im Hotel haben da wohl ihr übriges zu getan…

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Und was gibt es sonst noch zu sagen?

Sally hat es natürlich auch geschafft und ist sogar noch bis Uhuru gelaufen.

Von Höhenkrankheit kann man bei mir irgendwie nicht reden…nur schneller erschöpft und nicht mehr so belastungsfähig. Von Übelkeit keine Spur…nur die reguläre Schlechtigkeit meiner Person war zu verzeichnen. Das bestätigt es mal wieder: schlechten Menschen geht’s immer gut ☺

Neben dem Tusker war die heiße Dusche nach 6 Tagen ohne fließend Wasser eine wahre Wohltat und auch bitter nötig.

Ich habe meine ersten Chamäleons in freier Wildbahn gesehen!

Mülltechnisch habe ich mich auf dem Berg auf viel Schlimmeres eingestellt. Aber wahrscheinlich liegt es nur an der Low Season und meinem Trauma Dar-es-Salaam.

Ambivalente Gefühle: Einerseits war es eine tolle Tour und das Team hat alles dafür getan, dass es uns gut ging. Wir haben viel Geld für die 6 Tage bezahlt, und für Tanzania ist das Touriziel Kili eine wichtige Einnahmequelle. Dennoch haben die, die richtig schufften mussten – nämlich die Träger - den geringsten Teil davon bekommen. Nach Abzug von Nationalparkgebühren, Übernachtung in den Huts, Essen, Rescue Fee etc. bleibt nicht mehr viel übrig. Und von dem „nicht mehr viel übrig“ bekommen die Porter einen Hungerlohn. Anscheinend gibt es in der Moshi-Region 5.000 Porter. In der Low Season ist wenn man Glück hat maximal ein Aufstieg pro Monat für einen Porter drin. Das heisst 6 Tage unter mäßigen Arbeitsbedingungen schufften, in nicht adäquater Kleidung seine Gesundheit aufs Spiel setzen um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber kann man damit wirklich leben? Diese Tatsache gibt mir ganz schön zu denken - auch wenn wir mit einer Porter-freundlichen Agentur los sind. Und mit einem Trinkgeld von knapp 50 USD pro Person versucht man dann sein schlechtes Gewissen freizukaufen.

Der metallische Geschmack in meinem Mund war kein Blut, sondern nur Sonnencreme auf meinen Lippen.

@ Harald: deine Spinning-Stunden sind Kinderfasching gegen die letzten 6 Tage! Nur schade, dass ich all die aufgebaute Kondition und meine fast aufgebrauchten Fettspeicher am Po und den Oberschenkeln bis Mai schon wieder abtrainiert bzw. aufgebaut habe ☺

Und wie geht’s dem Schweden? In seinem Blog war nachzulesen, dass er den Weg nach unten nicht alleine geschafft hat. Er wurde von seinem Führer mit einer Blinklampe in der Hand im Schnee abgelegt. Der Führer ist zum Basislager gerannt und hat anscheinend mehrere Männer mobilisiert, die ihn runter zum Kibo Hut geholt und danach den kompletten Weg bis zum Marangu Gate auf einer Bahre transportiert haben….dafür bezahlt also jeder Trekker eine Rescue Fee. Aber…es scheint ihm wieder gut zu gehen. Nochmal Glück gehabt, Schwede! Denn wenn man einem Spiegel-Bericht glaubt, so kehren jährlich zwischen 10 bis 40 Trekker und Porter (die tanzanische Regierung hält sich bei diesem Thema stark bedeckt) nicht mehr zurück.