Sinnkrise in der Zentrale der Irrenanstalt

Ich befürchte, ich habe so langsam aber sicher mal wieder einen Lagerkoller. Und an manchen Tagen muss ich gestehen, frage ich mich, was ich eigentlich hier mache. Es bewegt sich nichts…weder vorwärts noch zurück. So gar kein Erfolgserlebnis zu haben, macht mich dann doch auch mürbe. Und die Tatsache, dass sich nichts zurück bewegt, kann ich mir langsam auch nicht mehr als Erfolg schön reden.

Meine Projektmitarbeiter haben einfach den Ernst der Lage nicht erkannt. Man beschwert sich, dass es dieses Jahr noch kein Gehalt gegeben hat, dabei bleibt es aber. Die Aussage meinerseits, dass es nur Gehalt gibt, wenn man endlich den financial report für das letzte Jahr erstellt und einreicht, hat man zur Kenntnis genommen. Aber scheinbar gibt’s zuhause noch immer genug zu essen und zu trinken, so dass man dann doch nicht auf das Geld angewiesen ist. 

Auch der final report 2009 für die Rotarier ist noch nicht eingereicht. Ganz zu schweigen vom Aktionsplan für 2010 – aber wir haben ja auch erst Mitte März 2010. Was drängele ich eigentlich so?

@ mein liebes Ex-ZGM-Team: ich nehme mal an, dass der Marketingplan 2010 steht, oder? 

Nun weile ich seit knapp 5 Wochen hier und habe das Gefühl noch nichts getan zu haben. Gut, damit bin ich nicht alleine, aber ich bin wenigstens körperlich da. Das kann man von meinen Kolleginnen ja nicht gerade sagen. Nummer 4 ist immer noch krank, aber keiner weiß, ob und wann sie wieder kommt. Nummer 3 kommt relativ häufig ins Büro, im Schnitt 1 Fehltag pro Woche. Und die anderen beiden sehe ich einmal die Woche, bzw. einmal seit ich hier bin. Grund: Verwandte sterben (die sterben hier aktuell wie die Fliegen), Verwandte sind krank oder man selbst ist krank. 

Auch der Big Boss kann das Problem einfach nicht greifen, für ihn läuft alles… Der Vice Chairman hat mir heute zusätzlich mal wieder gesagt, dass das Executive Team für mich da ist und mein Problem lösen wird. Da war es wieder…mein Problem. Die ganze Welt ist eine Irrenanstalt, aber die Zentrale ist hier – so viel ist sicher!

 Naja, lassen wir das Thema und wenden uns lieber den schönen Dingen des Lebens zu. Mein neuer Mitbewohner Michael hat sich zum echten Glücksfall entpuppt. Er ist zwar über 50, rockt die Party aber gewaltig und macht auch nach 2 Tagen „Disco“ noch nicht schlapp. Somit habe ich nun endlich mal jemanden fürs Wochenende gefunden, mit dem man normal sprechen kann und der auch noch auf einer Wellenlänge mit mir liegt. 

Unser Wochenende war dementsprechend recht aktiv. Freitag abend waren wir im Zhongguo Garden, einem chinesischen Open Air Restaurant mit Live-Music. Michael und ich konnten uns durchsetzen und wir sind todesmutig (laut Suhail und Shinde) mit dem dala-dala gefahren. Suhail und Shinde (der glaube ich sein erstes Mal in Dar abends weg war…er ist ja auch erst seit 4 Jahren hier) hatten eine nächtliche Fahrt im dala-dala für zu gefährlich eingestuft und haben uns am Abendessen mit Schauermärchen versorgt. Wir sind heil angekommen und der Abend war einfach nur gut. Selbst Suhail und Shinde haben getanzt…das erste Mal in ihrem Leben wie sie uns erklärten.

Den Samstag haben wir in der Stadt verbracht. Suhail musste zum Friseur und danach waren wir bei Chiefs Pride in der Chagga Street absolut leckeren Fisch essen. Am Abend sind wir ins Bilicanas, einem angesagten Club in Dar und dementsprechend war der Eintritt mit 10.000 Tsh auch sehr hoch. Der DJ war aber erste Sahne, denn er verstand es, die Tanzfläche so lange leer zu halten, bis Michael und ich nach gut 2 Stunden ihn mal in seiner Musik-Box besucht haben und ordentliche afrikanische Musik gefordert haben. Und was war? Die Tanzfläche war binnen weniger Minuten voll!

Ja und den Sonntag haben wir in Kipepeo verbracht. Sand, Strand und klares Wasser, ein paar Tusker. Frau braucht nicht viel um glücklich zu sein… 

Ach ja, noch einmal zum Thema Irrenanstalt. Auch zuhause geht es weiterhin irre zu.

Shinde erfreut sich nun nicht mehr nur an seinen kutchi-kutchi something Filmen, sondern hat einen neuen Spruch: Same same but different, gefolgt von einem wiehernden Lachen.  Man, wie blöd war ich, dass ich das mal im Spaß zu ihm gesagt habe. Jetzt höre ich das täglich und zwar zu den unpassendsten Gelegenheiten. 

Und Suhail hat es am Sonntag irgendwie geschafft, gleich von 2 Ladies die Telefonnummer zu bekommen. Jetzt fragt er Michael und mich ständig um Rat, wie er die Beziehungen nun weiter vorantreiben kann. Dass die Mädchen ein Wort mit zu reden haben, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Ich hoffe nur, dass er nicht zu forsch wird, denn seine Aussage „I had already 4 girl-friends. Only holding hands. But one I kissed…well, I forced her to kiss me.” lässt auf weitere spannende Geschichten hoffen.

Nach einem erfolglosen Meeting mit Ambukege und keinen weiteren Terminen diese Woche mache ich mich morgen nun ins südliche Hochland nach Rungwe/Mbeya auf. Dort werde ich bei Claudia wohnen und mich mit Melania und Mwakamele treffen, die beide sehr erfolgreich ihre Projekte in der Waisen- und Frauenarbeit führen. Vielleicht halten die ja noch ein paar Tipps für ihre Kollegen in Dar parat.

Schöne Grüße von der Reise-Elke


P.S. Dem aufmerksamen Leser mag nicht entgangen sein, dass sich der Name meines Mitbewohners nun doch noch einmal geändert hat. Jetzt kann ich ihn wirklich richtig schreiben – Suhail – glaube ich zumindest ☺